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Meinung

Über Untergriffe, Glaubenskriege, Fanatismus und andere Unsitten…

Es sei die „ketzerische“ Frage erlaubt, ob HiFi ein wunderbares, aber durch und durch subjektives Hobby ist, oder als Glaubensfrage zu verstehen ist, in der alle Mittel legitim sind? Mitunter könnte so manch Außenstehender einen etwas fragwürdigen Eindruck erhalten.

Vielfach liest sich eine Produktankündigung eines Unternehmens, nun ja, bezeichnen wir es als überaus euphorisch, und mitunter ein wenig gar selbstverliebt. Von dem schlicht Besten ist da vielfach zu lesen, was es so in dieser Form bislang nicht gab, und dass dieses eine neue Produkt Bestehendes schlichtweg in den Schatten stelle. Argumente, die die Einzigartigkeit herausstreichen, werden mitunter recht großzügig interpretiert und halten wohl nicht jedem Vergleich tatsächlich stand. Aber natürlich gilt es, aus Sicht der Unternehmen, die eigenen Vorzüge hervorzustreichen, und sich selbst und das Produkt ins bestmögliche Licht zu rücken. Wie heisst es so treffend: „Klappern gehört zum Handwerk“, oder aber „Jeder Krämer lobt seine Ware“.
Und damit sind nun gar nicht tatsächlich nichtssagende marketingtechnische Plattitüden gemeint, die dann doch mitunter deutlich zu weit gehen, sondern einfach die Überzeugung eines Unternehmens von den eigenen Produkten.

Und daher finden Sie, werte Leser, derartige Einschätzungen auch vielfach in unserer Berichterstattung, und zwar dann, wenn es um eine reine News-Meldung geht, wir das Produkt also bislang noch nicht in Händen hielten. Es ist unsere Aufgabe, dies in den richtigen Kontext zu betten, also durchaus zu kommentieren. Eine 1:1 Copy-Paste-Berichterstattung werden Sie also nicht bei uns finden. Und auch bei Tests gehört es unserer Ansicht nach dazu, zunächst festzuhalten, wie der Hersteller selbst sein Produkt einstuft und charakterisiert. Herauszufinden, ob dies auch tatsächlich zutrifft, sehen wir wiederum als unsere Aufgabe an.

Es ist also durchaus mehr als legitim, dass Hersteller sehr überzeugt von ihren Produkten sind und dies auch entsprechend zum Ausdruck bringen. Mehr noch, es ist – mit Verlaub – ihre Pflicht, nichts anderes erwarte ich von ihnen. Ich verlange geradezu, dass ein Entwickler, ein Hersteller wirklich alles gibt, wenn es um die Entwicklung, die Fertigung und auch den Vertrieb eines Produktes geht. Ich erwarte, nein, nochmals, ich verlange geradezu, dass er nicht weniger als sein Bestes gibt, um mich für ein Produkt zu begeistern. Schlussendlich will er ja mein Geld dafür 😉

Ich erwarte auch, dass ein etwaiger Nachfolger oder gar eine neue Lösung nochmals besser ist, und kann dann auch gut damit leben, zu hören, dass dies nun wirklich das Beste ist, auch wenn schon der Vorgänger Gleiches versprach. Als mündiger Konsument kann ich dann immer noch selbst entscheiden, ob die versprochenen Neuerungen auch tatsächlich für mich relevant sind.

„Eigenlob“, in gewissem Rahmen, ja, selbst ein fairer Vergleich mit Lösungen des Mitbewerbs, gehören also durchaus zum Alltagsgeschäft und sind, richtig interpretiert, durchaus auch für den Konsumenten hilfreich bei seiner Entscheidungsfindung.

Was mir allerdings in letzter Zeit vermehrt überaus negativ auffällt, ist die Art und Weise, wie bei so manchem Unternehmen inzwischen derartige Selbstdefinitionen, und vor allem ein unmittelbarer Vergleich der eigenen Produkte mit Lösungen des Mitbewerbs ausfallen. Hier wird manchmal der Grat des Zulässigen, mitunter sogar das Maß des Erträglichen, von so manchem Unternehmen deutlich überschritten. Von einer auch nur im Ansatz realistischen Selbsteinschätzung kann da längst keine Rede mehr sein, und Vergleiche mit der Konkurrenz fallen nicht fair und zumindest in wesentlichen Bereichen inhaltlich korrekt aus, sondern sind gespickt mit Untergriffen und klaren Lügen.

Als besonderes „Highlight“ stolperten wir dieser Tage über die Selbstdarstellung eines Vertriebs, der offensichtlich nicht nur mit der korrekten Orthographie im Allgemeinen auf Kriegsfuss steht, sondern gleichzeitig mit der gesamten Industrie an sich. Denn nur die von ihm offerierten Produkte können überzeugen, alles andere sei, auf den Punkt gebracht, schlichtweg Mist und somit zu vergessen. Nun, beim Thema Rechtschreibung und ihrer korrekten Anwendung in der Praxis will auch ich mich nicht allzusehr aus dem Fenster lehnen, wer allerdings gleich den Kampf mit allen anderen aufnimmt, der sollte sich zumindest zweimal überlegen, was, und vor allem wie man es schreibt. Vor allem, wenn durch nahezu jeden Satz klar zu erkennen ist, dass da jemand sich bemüßigt fühlt, allen anderen die Welt in ihrer Gesamtheit zu erklären, sich dabei jedoch ständig selbst eine Blöße und klar zu verstehen gibt, von rein gar Nichts auch nur ansatzweise etwas zu verstehen. Muntere Vergleiche über alle Preisklassen hinweg – da wird eifrig mit Preisklassen von 100, 1.000, 10.000 und gar 100.000 in einem Atemzug jongliert – bis hin zu „Schmankerln“ bei technischen Bezeichnungen, die nur mit Phantasie mit deren korrekter Schreibweise in Zusammenhang gebracht werden können, zeichnen ein eindeutiges Bild. In dieses Bild passt dann auch, dass die Herrschaften dieses Unternehmens gerne auch selbst mehr als eindeutige Statements über „ihre“ Produkte in einschlägigen Foren als „Bewertung“ posten, dabei aber auf einen Hinweis über ihr persönliches „Nahverhältnis“ vergessen…

Auch wenn dieses wahllos herausgegriffene Beispiel nur die Spitze darstellt, muss das wirklich so sein? Ich denke, die Antwort ist eindeutig…

Selbst im Fachhandel stoßen wir vermehrt auf dieses Bild, was wohl gerade für Neueinsteiger in die Materie besonders befremdlich wirken muss. Denn schließlich ist davon auszugehen, dass ein mündiger Konsument nicht nur zu einem Fachhändler pilgert, wenn es darum geht, mitunter ein paar Tausend Euro in ein für ihn neues Hobby zu investieren. Und wenn dieser ambitionierte Neuling dann von drei Händlern stets vernimmt, dass alles schlecht ist, außer das von ihm offerierte Angebot, dann wird er wohl zum Schluss kommen, dass dies tatsächlich stimmen könnte, und insgesamt die Finger davon lassen.

Aber auch wir Endkunden, infiziert mit dem HiFi-Virus, sind ja in Wahrheit nicht viel besser. Auch wir verfallen allzuoft dem Glauben, dass wir die Weisheit sprichwörtlich mit Löffeln zu uns nehmen, und ohnedies die absolute Wahrheit gepachtet hätten. Wir mokieren uns genüsslich darüber, welchen „Mist“ Hersteller X fabriziere, diesen aber dennoch in höchsten Tönen lobe. Denn nur unsere Einschätzung sei die einzig Richtige, und nur die von uns gewählte Lösung des Herstellers Y bringe Glück und Segen. Wer das nicht erkenne, dem muss jedwedes Verständnis über die Materie abgesprochen werden. Und bei all jenen, die – die armen Dummerchen – ihren Einstieg in das Hobby suchen und erste zarte Schritte mit günstigen Lösungen wagen, da sind wir sofort zur Stelle und attestieren, dass dies ja sooo sicher nicht gehen kann. Abgesehen davon, und das sei nur am Rande in diesem Zusammenhang erwähnt, lassen wir uns viel zu oft von einer beeindruckenden Zahl auf dem Preisschild blenden. Teuer? Das MUSS ja gut sein…

Warum lassen wir uns zu derartigen Glaubenskämpfen verleiten? WIR haben doch rein gar nichts zu verkaufen, wir sitzen am anderen Ende der Kette. Angeregte Diskussionen, ja, jederzeit. Das macht Spass! Aber genau den versuchen wir vielfach geradezu krampfhaft auszublenden, und verbeißen uns in Grabenkämpfe, Wortgefechte und sinnlose akademische Vergleiche, anstatt gemeinsam Spass zu haben, und uns an der Vielfalt, die unser Hobby wie kein anderes bietet, zu erfreuen.

Natürlich haben wir alle, die wir uns leidenschaftlich mit der Materie HiFi an sich befassen, eine gewisse missionarische Leidenschaft in uns, und auch das ist gut. Aber müssen wir deswegen gleich zu „Hasspredigern“ und Fanatikern werden? Sicher nicht, dafür ist HiFi in all ihren Spielarten ein zu schönes, aber durch und durch subjektives Hobby. Und genau als solches sollte es auch gesehen und gehandhabt werden. Begeisterung, ja, Fanatismus und Grabenkämpfe, nein! Vielfalt ist es, die den Reiz ausmacht und die bereichert, auch, oder besser gesagt, gerade in der Welt der HiFi.

Wir meinen…

Mitunter scheint es, dass auch in der Welt der HiFi inzwischen so mancher glaubt, jedwedes Mittel sei recht, um seine Produkte feilzubieten. So manches Unternehmen setzt nicht auf eigene Stärken, sondern darauf, andere „anzupatzen“. Und erkennt nicht, dass man sich damit nicht nur selbst schadet, sondern gleich einer gesamten Branche, die ohnedies, auch auf Kundenseite, sich allzu oft in „Glaubenskriegen“ verliert.

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Michael Holzinger

Michael Holzinger, Gründer und Chefredakteur von sempre-audio.at | Der HiFi Blog - Das HiFi Magazin und HiFi BLOG, ist seit Jahrzehnten als Journalist in den Bereichen IT, Fotografie, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik tätig. Mit HiFi.Luxury begründete er zudem eine weitere Plattformen, die für modernen, exquisiten Lebensstil steht.

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