Vinyl-Schätze, die oftmals gar nicht so glänzen
Dieser Tage äußerte ich in einem kurzen Posting im Rahmen unseres Facebook-Auftritts meinen Unmut darüber, wie geradezu frustrierend es vielfach ist, wenn nagelneu gekaufte Schallplatten mit geradezu minderer Qualität aufwarten. Die Resonanz auf diese „Notiz“ war enorm... Und sie zeigt, selbst Vinyl-Liebhaber sind vielfach erbost darüber, was ihnen von der Industrie mitunter feil geboten wird.
Selbstverständlich bewegt sich der Markt im Bereich Distribution von Musik immer mehr vom klassischen Tonträger weg, hin zu Download-, aber vor allem Streaming-Angeboten. So sind es längst Anbieter wie Apple iTunes Store, Amazon Music, die die tatsächlichen Big Player im Bereich der Musik-Distribution darstellen und in so manchen Märkten klassische Anbieter von Tonträgern an der Spitze der Verkaufsstatistiken ablösten.
Download löst Tonträger ab, Streaming löst Download ab
Allerdings zeigt die Entwicklung, dass auch deren Marktmacht wohl keineswegs in Stein gemeißelt ist, denn längst haben sich Angebote etabliert, die eine gänzlich andere Herangehensweise verfolgen. Streaming-Dienste, die zum Flatrate-Preis Abermillionen Musiktitel ständig verfügbar anbieten und damit für einen Paradigmenwechsel sorgen. Der Kunde „besitzt“ Musik nicht mehr in klassischer Form, er „nutzt“ sie nur, und zwar wo immer, und wann immer er dies wünscht.
Nun, allein diese Formulierung zeigt schon, dass damit unweigerlich auch eine Entwertung der Inhalte einhergeht, vor der Künstler seit langem warnen. Es ist nunmal leider eine Tatsache, dass alles, was ständig im Überfluss verfügbar ist, und defakto nahezu nichts kostet, in unserer Wahrnehmung an Wert verliert.
Streaming führt zu mehr Vinyl
Erfreulich aber ist, dass diese Entwicklung im Massenmarkt auch dafür verantwortlich ist, dass zumindest bei einigen Musikliebhabern ein Umdenken stattfindet. Auch wenn es zunächst paradox klingen mag, sie haben für sich erkannt, dass diese ständige Verfügbarkeit von allem auch nicht der Weisheit letzter Schluss ist, zumal die Qualität dabei unweigerlich auf der Strecke bleibt, und zwar in jedweder Beziehung.
Denn es ist ebenso eine Tatsache, dass der Mensch seit jeher ein Jäger und Sammler ist, und daran hat sich seit Jahrtausenden rein gar nichts geändert. Ebensowenig daran, dass er „Dinge“ mit möglichst vielen Sinnen im wahrsten Sinne des Wortes begreifen will. Musik, selbst in Form einer „Konserve“, ist somit für viele weit mehr, als man mit einem Musik-Download, einem Musik-Stream in Form von Bits erhält. Man wünscht sich etwas zum Ansehen, zum Angreifen, irgendwas, was einen noch unmittelbareren Bezug zum eigentlichen Inhalt, der Musik an sich, herstellt.
Es erstaunt somit keinesfalls, dass es ausgerechnet das in den 1980gern von vielen längst totgesagte Format Vinyl ist, dass seit Jahren nunmehr eine wahre Renaissance erlebt. Dabei kann man den Trend hin zu Downloads und in Folge zu Streaming-Angeboten sowie die stetig wachsenden Verkaufszahlen im Bereich Schallplatte tatsächlich in einen direkten Zusammenhang setzen.
Die CD wird zur Nische
Im Vergleich zur Audio CD, die wohl problemlos im gehobenen Segment von Hi-res Audio Downloads, im mittleren von Download-Anbietern wie Apple iTunes, und im untersten Segment von Streaming-Angeboten abgelöst wird, bietet die Schallplatte tatsächlich alles, was sich ein Musikliebhaber für ein erfüllendes Erlebnis, das alle Sinne befriedigt, wünscht.
Auch wenn es natürlich nicht die gigantischen Verkaufszahlen sind, die Vinyl ehemals als einzig relevantes Tonträgerformat aufweisen konnte, so stellen Schallplatten inzwischen wieder eine maßgebende Größe am Markt dar. So schufen etwa Online-Anbieter wie jpc.de oder Amazon eigene Vinyl-Rubriken, besinnen sich immer neue Fachhändler auf dieses Tonträgerformat und offerieren ein breites Angebot, ja selbst Flächenmärkte wie Saturn oder Mediamarkt schufen in so manchen Filialen wiederum eine Vinyl-Abteilung, wobei so manche, vor allem durch das persönliche Engagement der entsprechenden Abteilungsleiter, durchaus ein recht beachtliches Repertoire vorweisen kann.
Wie verprellt man die treuesten Kunden
Und nun: Man könnte fast meinen, dass die „Musik-Industrie“ ein geradezu untrügliches Gespür dafür hat, ausgerechnet ihre treuesten Kunden stets aufs Neue zu verärgern. Natürlich ist mir völlig klar, dass dies eine absolut überspitzte Behauptung ist, denn allein, es gibt „die Musik-Industrie“ ja nicht wirklich. Neben einigen tatsächlichen Big-Playern sind es ja immer noch erfreulich viele kleinere Unternehmen, aber vor allem zahllose Independent Labels, die alle zusammen „die Industrie“ ausmachen. Bei so mancher Fehlentwicklung aber sind es dann doch „die Großen“, die an der Spitze stehen, und die falsche Richtung vorgeben, während es die vielen „Kleinen“ nicht schaffen, hier gegen die Marktmacht der Majors gegen zu steuern.
Und so ist es auch diesmal leider aufs Neue zu beobachten, dass sich manches in eine zumindest bedenkliche, wenn nicht gar gänzlich falsche Richtung entwickelt, auch bei Schallplatten.
Natürlich haben auch die „Majors“ längst erkannt, welch Potential in der Schallplatte steckt und versuchen diesen Markt, dem sie jahrelang die kalte Schulter zeigten, und der allein von kleinen, engagierten Anbietern bedient wurde, wieder für sich zurück zu erobern. Neuveröffentlichungen erscheinen etwa zumeist wieder zeitgleich als Download, CD und Vinyl, und natürlich hat man da noch etliches im Katalog, was möglichst billig einer Zweit-, Dritt-… Verwertung zugeführt werden soll. Und genau da liegt das Problem.
Wer Vinyl kauft, will Qualität
Wer sich für eine Schallplatte entscheidet, ist zumeist nicht nur ein wahrer Musikliebhaber, es ist zudem ein Kunde, der auf Qualität setzt. Ein Kunde, der das Besondere sucht, und dafür durchaus bereit ist, einen höheren Preis zu zahlen. Und das haben die Anbieter natürlich sofort erkannt und so kann man derzeit beobachten, dass die Preise für Schallplatten in die Höhe schnellen, als wären sie mit dem Benzinpreis gekoppelt. Nur, eine Garantie für Qualität ist dies leider keineswegs, ganz im Gegenteil.
Immer öfter muss man feststellen, dass hier lieblos und mit teils lausiger Qualität produzierte Tonträger zu möglichst teuren Preisen feilgeboten werden. Das Preis/ Leistungsverhältnis stimmt hier somit längst nicht mehr. Es geht einmal mehr allein um möglichst schnelle Gewinnmaximierung, ohne Rücksicht darauf, dass man sich hier etwa einen kleinen, aber umso feineren und beständigen Markt gleich wieder zunichte machte.
So haben Anbieter von Schallplatten insgesamt ein immenses Problem, denn in der Euphorie rund um die Markteinführung der Audio CD wurden vielfach Produktionsanlagen zur Schallplattenfertigung kurzerhand verschrottet. So sind nur noch einige wenige Hersteller übrig geblieben, die tatsächlich noch in der Lage sind, Vinyls zu produzieren, und auch die kämpfen vielfach damit, dass die Maschinen natürlich nicht ewig halten, und entsprechend intensiv gewartet werden müssen, um ein möglichst hohes Qualitätsniveau zu erzielen.
Hohe Preise, mindere Qualität
Allein, vielfach dürfte das nicht im Interesse der Produzenten sein, denn immer öfter muss man feststellen, dass die eben gar nicht billig erworbene Schallplatte, die man mit Vorfreude auspackt, so gar nicht den hohen Erwartungen entspricht, die man angesichts des Preises haben darf. So passiert es nicht selten, dass diese schon mit klar sichtbaren Beschädigungen, teils massiven Verunreinigungen durch den Verarbeitungsprozess aus dem Cover genommen werden. Geschweige denn, dass es sich selbst bei hochpreisigen Produkten um entsprechend hochwertige Cover handelt.
Vielfach kommt hier, anstatt einer vernünftigen, antistatischen Innenhülle, grobes Papier oder gar billigster Karton zum Einsatz, sodass diese für die Oberfläche der Schallplatte geradezu wie Schleifpapier wirken. Besonders fatal, wenn die Platte verunreinigt oder gar dermassen statisch aufgeladen ist, dass man diese kaum aus der Hülle herauslösen kann.
Der Vorfreude folgt dadurch zumeist Frustration, und zwar spätestens dann, wenn die Platte so gar nicht in der angemessenen Qualität abgespielt werden kann. Etwa, weil die Minimalanforderungen nicht erfüllt sind. Was hilft eine angeblich besonders erstklassige Pressung mit 180 Gramm Vinyl, wenn das Loch in der Mitte nicht den vorgeschriebenen Durchmesser aufweist, und somit die Platte gar nicht ohne weiteres aufgelegt werden kann. Was ist ein spezielles Remaster für Vinyl wert, wenn die Platte dermassen verdreckt und aufgeladen ist, dass es britzelt und knistert, als würde man eine alte Schellack abspielen?
Leider muss ich immer häufiger feststellen, dass so manche Platte, ohne erstmalige Grundreinigung tatsächlich schlicht nicht abspielbar ist. Mit Verlaub, ich empfinde das angesichts der dafür teils ausgerufenen Preise als absolute Frechheit!
Das schnelle Geld
Und eins ist leider auch feststellbar, es betrifft zwar sehr wohl zu einem überwiegenden Teil Schallplatten der so genannten Majors, was prinzipiell schon unverständlich ist, allerdings musste ich diese Entwicklung auch immer mehr bei angeblich auf Qualität bedachten Anbietern feststellen, sodass sich dieses „Phänomen“ allmählich durch alle Genres und alle Labels zieht, was meiner Einschätzung nach ein sehr fatales Zeichen dafür ist, dass man nicht erkannte, dass man hier die treuesten Kunden verärgert, und zwar nachhaltig. Zudem setzen immer mehr Neueinsteiger wieder auf Vinyl, und da ist es wohl besonders verheerend, wenn die versprochene Qualität nicht stimmt, nur weil ein Produzent einer Schallplatte nicht gewillt ist, diese auch zu liefern.
Und nein, ich werde mir den Spass an der Schallplatte auch von diesen schwarzen Schafen nicht verderben lassen. Allerdings werde ich künftig sehr genau darauf achten, wem ich mein sauer verdientes Geld in diesem Bereich anvertraue.
Und ich werde wohl immer öfter bei Anbietern kaufen, die etwa eine Vorab-Kontrolle der Schallplatten, mitunter sogar eine Reinigung anbieten, auch wenn dafür ein paar Euro mehr zu bezahlen sind. Das ist es mir wert, wenn ich dafür ein neu erworbenes Schätzchen auspacken, und sofort genießen kann, und zwar ohne mich maßlos darüber ärgern zu müssen, dass mir etwa aus dem Cover Granulat entgegen rieselt, wie es mir jüngst gar ergangen ist.
Wir meinen…
Eins kann man ganz klar festhalten: Die Angst, etwa im Second-hand Bereich „schlechte“ Qualität zu erhalten, ist vielfach unbegründet. Ganz im Gegenteil. Wenn man sich hier ein wenig einen Überblick verschafft, so kann man wahre Schätze zu überaus attraktiven Preisen ergattern, die teils eine bessere Qualität aufweisen, als so manche Neuveröffentlichung, trotz angeblichem, groß beworbenem Remaster.
Und auch hier gibt es Anbieter, ja, sogar reine Online-Anbieter, die eine handverlesene Auswahl vom Feinsten bieten, und davon keine Schallplatte unkontrolliert und ohne vorherigem „Waschgang“ versenden.
Mir ist bewusst, dass mein Hobby ein mitunter kostspieliges ist, aber auch eines der schönsten, also achte ich nicht immer auf jeden Euro. Aber wenn ich auch nur im Ansatz das Gefühl habe, mit lausiger Qualität abgespeist zu werden, dann werde ich, auf gut Wienerisch ausgedrückt, grantig. Und das erspare ich mir künftig einfach, indem ich mein Geld nur noch denen anvertraue, die es sich auch verdient haben, auch wenn‘s um Schallplatten geht…