Die Schallplatte – Ein kurzer Hype oder Wiederauferstanden um zu bleiben
Der Klang-Connaisseur hat es ohnedies schon immer gewusst: Die Schallplatte ist das Format um Musik mit allen Sinnen zu erfahren und vollends zu genießen. Eine Erkenntnis, die sich auf immer breiterer Front durchzusetzen scheint. Dabei musste das Tonträger-Format harte Zeiten überstehen, um nun erstarkt wieder aufzuerstehen.
Lange Jahre fristete die Schallplatte ein Schattendasein. Lediglich einige ausgewählte Musik-Feinspitze und Analog-Fans blieben diesem Tonträger treu und entsagten vielfach zumindest teilweise, so manche zur Gänze der digitalen Welt, die mit der Audio CD Anfang der 80er Jahre über uns wie eine Welle hereinbrach. Auch als Nachfolge-Formate der Audio CD propagierte Formate wie etwa DVD-Audio oder Super Audio CD konnten diese Gruppe nicht wirklich überzeugen, und als MP3 „salonfähig“ wurde, stand für die Klangpuristen ohnedies der Weltuntergang unmittelbar bevor.
Alles wird gut…
Nun aber scheint es, als wäre der vollständige Verfall jedweder Kultur dann doch aufgeschoben und als würde sich alles zum Guten wenden. Mehr noch, es hat den Anschein, als würden die kühnsten Träume genau dieser Puristen nun doch in Erfüllung gehen und immer mehr Menschen erkennen: wenn es um feinste Musik-Wiedergabe geht, bleibt nur die Schallplatte. Denn, sie ist zurück, und zwar auf einem wohl von niemandem erwartet hohen Niveau!
Waren es zunächst allen voran kleine Labels, die ein ausgewähltes Angebot erneut auf Schallplatte präsentierten, so setzen nun nahezu alle Majors ebenfalls auf Vinyl, und zwar nicht nur bei Neuveröffentlichungen, auch Katalog-Titel werden reihenweise erneut auf Vinyl aufgelegt. Teils werden nunmehr sogar Alben, die bislang allein auf CD angeboten wurden, nun endlich auch auf Schallplatte veröffentlicht.
Dies führt dazu, dass Presswerke aktuell übervolle Auftragsbücher vorweisen können. Teils wird hier bereits im Drei- oder gar Vierschicht-Betrieb, und somit rund um die Uhr gearbeitet, um der Auftragslage nur halbwegs Herr zu werden. Wochen-, teils Monatelange Verzögerungen bei der Auslieferung sind keine Seltenheit, vielmehr gar die Regel.
Gut sortiertes Schallplatten-Angebot ist Pflicht
Mussten sich Schallplatten-Liebhaber über Jahre hinweg vor allem mit dem Angebot auf Schallplatten-Börsen, also am Second-hand Markt begnügen, und standen nur wenige ausgewählte Fachgeschäfte zur Verfügung, so setzen nunmehr immer mehr Händler erneut auf ein gut sortiertes Vinyl-Angebot, ja selbst Elektro-Großmärkte schrumpfen ihre CD-Abteilung, etablieren aber gleichzeitig ein neues Schallplatten-Angebot bzw. vergrößern dieses sukzessive. Online-Anbieter wie amazon.de oder jpc.de etablierten längst neue Vinyl-Rubriken, teils sehr zum Leidwesen der ausgewiesenen Spezialisten, wobei aber auch hier so mancher Spezialist, alt wie neu, mit einem nicht minder umfangreichen Online-Angebot dagegen hält und etwa mit speziellem Service punkten kann – auch online.
Überhaupt kann man in den letzten Monaten einen kräftigen Umschwung in der kompletten Thematik feststellen, denn waren es über Jahre hinweg allen voran jene Puristen, die mit der Schallplatte aufwuchsen, und somit eine Käuferschicht in der Altersklasse 40 oder gar 50 plus, die nach wie vor auf dieses Medium vertrauten, so ist es nunmehr eine erfreulich junge Käuferschicht, die die Schallplatte für sich entdeckt. Dies belegt nicht zuletzt ein Blick auf die Besucherstruktur der bereits erwähnten Second-hand Börsen, wo sich mitunter bereits erfreulich viele Jugendliche tummeln, die klar der „MP3-Generation“ zuzuordnen sind. Diese haben vielfach ihr Leben lang noch keine einzige CD gekauft, aber für Schallplatten, dafür wird Geld investiert.
Die Schallplatte liegt im Trend
Nüchtern betrachtet muss man aber bei aller Euphorie über diese aktuelle Entwicklungen festhalten, dass es durchaus auch ein wenig einem Hype gleicht, dass Vinyl wieder derart viel Aufmerksamkeit genießt. Vielfach wird alles rund um das Thema Schallplatte derzeit ganz klar als eine Art „Mode-Trend“ genutzt, sei es nun in Lifestyle-Zeitschriften, Werbespots, ganz allgemein bei allem, was „trendy“ erscheinen soll. Und wohl auch so mancher internationale Superstar, der derzeit mit viel Marketing-Geschrei Vinyl-Produktionen lanciert, wird wohl mitunter auch ganz banale Gründe dafür haben, und nicht in erster Linie den „ganz speziellen Klang“. Vieles, was derzeit rund um Vinyl zu beobachten ist, ist vielmehr ein klares Indiz dafür, dass wohl ein Teil der derzeit mitunter schon vielleicht übertriebenen Euphorie wohl nicht allzu beständig sein könnte, das sollte man zumindest im Hinterkopf behalten.
Doch die Zahlen über die letzten Jahre hinweg zeigen, dass sich dann doch ein sehr konstantes Wachstum abzeichnet, und zwar fernab dieses derzeitigen „Hyperventilierens“, das wohl so schnell wieder verschwinden wird, wie es kam. Realistisch betrachtet kann also dennoch ein klarer Trend hin zur Schallplatte verzeichnet werden, wenn auch leider nicht auf derart hohem Niveau, wie es aktuell den Anschein hat, und natürlich bei weitem nicht auf jenem Level, wie in der „guten, alten Zeit“. Dennoch bleibt da, wenn man die derzeitige Aufmerksamkeit rund um die Thematik nun auf kluge Art und Weise zu nutzen versteht, ein solider Markt, der die Chance hat, auch künftig konstant zu wachsen.
Jäger und Sammler
Wir Menschen sind nunmal ganz klar in die Kategorie Jäger und Sammler einzuordnen, wobei dies bei manchen stärker, bei manchen schwächer ausgeprägt ist. Wir wollen Dinge besitzen, allen voran wenn wir mit diesen eine emotionale Bindung haben. Und für was mag dies mehr gelten, als für Musik? Ein Grund für den derzeitigen Trend hin zur Schallplatte mag daher wohl auch teils ausgerechnet in dem immer mehr erstarkendem Marktsegment Streaming zu suchen sein. Denn beim Streaming über Dienste wie Spotify und Co stehen zwar Abermillionen an Musiktitel ständig zur Verfügung, aber greifbar ist da nichts.
Selbst wenn man Audio-Daten über Download-Portale wie etwa Apple iTunes kauft, hat man nur ein paar Bytes auf der Festplatte. Eine Schallplatte hingegen ist ein Erlebnis für viele Sinne, bei der sich Musikgenuss im wahrsten Sinne des Wortes ganzheitlich begreifen lässt.
Man hat also etwas „in der Hand“, und zwar mitunter ein kleines Kunstwerk, wenn man sich so manches Platten-Cover ansieht. Die Haptik spricht also in jedem Fall ganz klar für die Schallplatte. Für viele war es seit jeher, und ist es auch nach wie vor der spezielle Klang, der für die schwarzen Scheiben spricht, allerdings muss man ehrlicherweise anmerken, dass eine Schallplatte eben nicht per se besser klingen muss, nur weil es eine Schallplatte ist.
Gerade der derzeitige Hype führt dazu, dass so manche Produktion einfach irgendwie „unters Volk“ geworfen wird, und diese Alben leider alles andere als ein Ruhmesblatt für das Tonträgerformat insgesamt sind. Und auch die Preisentwicklung der Tonträger nimmt derzeit schon in manchen Bereichen gar bedenkliche Tendenzen an, die in keinem realen Verhältnis mehr stehen.
Qualität darf natürlich durchaus ihren Preis haben, keine Frage, allerdings wäre es wohl äußerst unklug, sich allzusehr in einen elitären Bereich zu bewegen, der für viele Kunden schlichtweg jenseitig erscheint, und realistisch betrachtet auch jedweder Grundlage entbehrt.
Die Unterhaltungselektronik insgesamt hat es schon verstanden, allen voran auch für die Neueinsteiger besondere Angebote rund ums Thema Schallplatte zu offerieren, die sowohl preislich attraktiv, und qualitativ auf adäquatem Niveau angesiedelt sind, um tatsächlich einen besonders ansprechenden Musik-Genuss zu erlauben. Der Fachhandel wiederum sollte gerade jetzt ganz besonders offen und aktiv auf diese Kundenschicht zugehen, und mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hier können treue Kunden für Jahre heranwachsen…
Kurzum, um es nochmals auf den Punkt zu bringen: Jetzt gilt es, den aktuellen Hype, die aktuelle breite Aufmerksamkeit rund um das Thema Schallplatte wirklich klug zu nutzen, um langfristig profitieren zu können, damit auch nach dem aktuellen Peak ein konstantes Wachstum, wenn auch auf etwas geringerem Niveau, sichergestellt ist.
Ist sie also wiederauferstanden um zu bleiben, die gute „alte Schallplatte“? Diese Frage konnte noch nie so klar mit einem ja beantwortet werden, wie derzeit.
Wir meinen…
Auch wenn man nüchtern festhalten muss, dass vieles, was derzeit rund um das Thema Schallplatte passiert, einem aktuellen Hype zuzuschreiben ist, der wohl über kurz oder lang wieder abebben wird, allen voran die Entwicklungen im „digitalen“ Sektor hin zum reinen Streaming werden dafür sorgen, dass Vinyl auch weiterhin ein konstantes Wachstum verzeichnen kann. Denn nichts ergänzt Musik-Streaming besser, als die Schallplatte. Ständige Verfügbarkeit auf der einen, Genuss für alle Sinne auf der anderen Seite.