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Ein paar Pickerl, damit es richtig harmonisch wird

Der Glaube versetzt Berge, lautet ein altbekanntes Sprichwort. Und dies trifft sicher auch auf ganz spezielle Teile des Zubehör-Sektors in der HiFi zu, bösartige Menschen sprechen hier vielfach von Voodoo. Wenngleich hier allen voran wohl Geldberge gemeint sind. Aber man muss schon einen sehr fest verwurzelten Glauben an das Gute im Menschen haben, um etwa in Pickerl, die auf Kabel geklebt werden, um den Klang eines HiFi-Systems positiv zu beeinflussen, darin nicht massiv erschüttert zu werden.

Es muss einmal angesprochen werden: eigentlich empfinde ich es als überaus fies und gemein! Da bemühe ich mich jedes Jahr aufs Neue, mir pünktlich zum 1. April eine ganz außergewöhnliche „technische Errungenschaft“ auszudenken, die möglichst skurril ausfällt, um nur ja nicht ernst genommen zu werden.

Und dann, tja, dann kommen die zahllosen „Wunderheiler“ der Branche, und beweisen stets aufs Neue, dass man sich noch so anstrengen kann, absolut verquer zu denken, sich noch so viel Mühe geben kann, pseudowissenschaftlichen Schwachsinn zu ersinnen, es gibt immer jemanden, der mit einem Ding aufwartet, das noch eins drauf setzt, und an das man wohl niemals dachte. Das Problem an der Sache aber ist, die präsentieren diese Lösungen nicht am 1. April, sie verkaufen es auch nicht als „Scherzartikel“ oder in für Zaubertricks spezialisierten Geschäften.

Nein, die meinen das wirklich ernst! Zumindest behaupten sie dies, wir wollen ja die Hoffnung nicht ganz verlieren, und gehen einmal davon aus, dass sie es zumindest selbst nicht glauben, was sie da bewerben.

Als gelernter Konsument einer freien Marktwirtschaft ist man ja durchaus damit vertraut, dass Waschmittel jedes Jahr aufs Neue noch weißer als Weiß waschen, und das wir alle tunlichst probiotisches Zeug in uns hinein stopfen sollten – war es nun links oder rechtsdrehendes Joghurt? – um dem Völlegefühl entgegen zu wirken. Eine gewisse kreative Freiheit gestehen wir also den Unternehmen zu, wenn es um die Vermarktung von Produkten geht, die wir eigentlich nicht wirklich benötigen. Das gehört zum Spiel…

Also, gehen wir davon aus, dass es auch hier genau um dieses Spielchen geht, und es nicht ganz so ernst gemeint ist, wenn etwa ein Hersteller behauptet, dass sich die Wiedergabe einer HiFi-Anlage allein dadurch dramatisch verbessern lässt, wenn man seine ganz speziellen Aufkleber an Kabel jedweder Art pickt.

Dabei geht man die Sache aber recht geschickt an, meint man zumindest, denn man streicht sofort ganz explizit hervor, dass das alles natürlich nichts mit Voodoo zu tun habe. Ganz im Gegenteil. Hier sei ganz pragmatisch Physik im Spiel. Mehr noch, der Hersteller hatte bereits derartige Lösungen im Angebot, nahm diese aber wieder vom Markt, da der böse Mitbewerb dazu überging, dieses geniale System zu kopieren, allerdings waren diese Produkte natürlich völlig wirkungslos. Daher entschied man sich, das eigene Produkt nicht mehr anzubieten, um nur ja nicht mit diesen unseriösen Anbietern in Verbindung gebracht zu werden. Nun aber wage man wieder den Neueinstieg, verständlich, denn wie kann man ein derart „geniales“ Produkt den HiFi-Enthusiasten vorenthalten?

Schließlich gibt es wohl kein einfacheres Tuning mit maximaler Wirkung. Denn man muss lediglich die dünnen Aufkleber auf Kabel aufbringen, einziger Punkt den es dabei zu beachten gilt, ist natürlich die Laufrichtung. Nur korrekt angebracht können diese Wunderteile ihre volle Wirkung entfalten. Aber eine ausführliche Anleitung lässt den Kunden hier nicht im Stich.

Natürlich handelt es sich nicht um irgendwelche Aufkleber, vielmehr sind es Bändchen, der Hersteller spricht gar von einem resonanzgestimmten Tuningband (CD-Dur, f-moll…???), aus einer ganz speziellen Materialzusammenstellung, allen voran japanisches Washi-Papier. Was nun genau die speziellen Eigenschaften dieses Papiers und seine Herkunft bewirken, wird leider nicht genauer ausgeführt. Vielleicht steht ja auch ein Upgrade mit vierlagigem Klopapier ins Haus, aber das wird es wohl nur gegen Aufpreis geben. Viel wichtiger ist da wohl die eingearbeitete Kupferfolie mit so genannter Resonanzstruktur. Damit wird nämlich der eigentliche Effekt erzielt.

Und wie gesagt, das hat nun alles rein gar nichts mit Voodoo zu tun, sondern vielmehr wird hier die kinetische Energie (!!!) genutzt, um ein harmonisches Frequenzspektrum anzuregen, das wiederum dafür sorgt, dass die Leitfähigkeit und „Signalübertragung“ verbessert. Für diese „mechanische Anregung“ ist die spezielle Kombination aus Washi-Papier und der Folio verantwortlich, irgend welche magischen Effekte muss das Papier also doch haben.

Fakt sei, man verzeihe mir bitte dieses Wort im konkreten Zusammenhang, dass dadurch die Wiedergabe harmonischer und detaillierter ausfällt. Wunderbar! Einfacher kann es ja nun wirklich nicht gehen! Zumal man diese Kleber laut Hersteller bzw. Vertrieb auf jedwedem Kabel einsetzen kann, gleichgültig, ob analog oder digital, Signalkabel, Lautsprecherkabel oder Stromkabel. Ja, es ist sogar leicht wieder abzunehmen, und kann somit je nach Bedarf eingesetzt werden. Zudem wird es in verschiedenen Längen angeboten, um perfekt auf die jeweiligen Bedürfnisse angepasst zu werden. Zerschneiden sollte man es halt nicht, aber das wird man ohnedies tunlichst unterlassen, schließlich muss man für diese „Tuning-Teile“ zumindest rund € 160,- investieren.

Und natürlich hat der Hersteller auch die entsprechenden Fachleute zur Hand, die die Wirksamkeit wortreich bestätigen. Dann muss es ja stimmen!

Übrigens, besonders dramatisch soll die Verbesserung zu hören sein, wenn man diese Aufkleber an Kopfhörern einsetzt. Aber auch an Tonarmen für Schallplattenspielern entfalten sie gar dramatische Wirkungen…Vielleicht, weil da wirklich soetwas wie kinetische Energie im Spiel ist 😉

Wir meinen…

So mancher macht mir das Leben zunehmends schwerer, eine wirklich neue Geschichte für den 1. April zu liefern. Die besten Geschichten sind schon weg… Auch diesmal werden wir – um entsprechender Kritik vorzubeugen – auf einen genauen Test dieser Wunder-Tuning-Teile verzichten. Wir warten noch auf die erweiterte Version mit vierlagigem Klopapier. Das muss ja dann nochmals deutlich besser funktionieren, als mit dem derzeitigen japanischen Washi-Papier!

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Michael Holzinger

Michael Holzinger, Gründer und Chefredakteur von sempre-audio.at | Der HiFi Blog - Das HiFi Magazin und HiFi BLOG, ist seit Jahrzehnten als Journalist in den Bereichen IT, Fotografie, Telekommunikation und Unterhaltungselektronik tätig. Mit HiFi.Luxury begründete er zudem eine weitere Plattformen, die für modernen, exquisiten Lebensstil steht.

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